
Chronik der Stadtbibliothek Osnabrück
"Das beste Geschenk, das man einem öffentlichen Gemeinwesen machen kann, ist eine öffentliche Bibliothek"
(zitiert nach Arved von Ungern: 100 Jahre öffentliche Bibliothek in Osnabrück, S. 27)
Volksbildung, das war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein zentrales gesellschaftliches Anliegen. In der Folge engagierten sich vielerorts Privatleute und schlossen sich zu Lesevereinen oder Lesezirkeln zusammen bzw. gründeten kleine Bibliotheken. So war es auch in Osnabrück.
Im Jahr 1869 öffnete Rittmeister Eberhard Friedrichs, unterstützt von einem Komitee liberaler Bürgerinnen und Bürger, in seinen eigenen Räumlichkeiten eine Volksbibliothek und machte sie mittwochs und sonntags von 11 bis 13 Uhr für jedermann zugänglich. Das aktive Gründungskomitee um den Rittmeister überzeugte den Stadtrat vom Nutzen einer solchen Einrichtung und so stellte die Stadt bald kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung und unterstützte die Volksbibliothek mit 25 Talern im Jahr.
Um die Jahrhundertwende waren viele begeistert von der Idee einer frei zugänglichen öffentlichen Bibliothek nach amerikanischem Vorbild. Auch in Osnabrück fanden sich zahlreiche Unterstützer und so wurde im Jahr 1902 die Städtische Bücher- und Lesehalle Osnabrück als kommunale Einrichtung eröffnet (Zeitungsartikel 1900 - 1903). Es folgte eine sehr wechselvolle Geschichte mit etlichen Umzügen und einem kulturellen Kahlschlag während der Zeit des Nationalsozialismus sowie der nahezu totalen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.
Nach dem Krieg ging es relativ kontinuierlich aufwärts. Neben der Hauptstelle wurde eine Jugendbibliothek im Haus der Jugend etabliert, vier Stadtteilbibliotheken wurden eröffnet, ein Bücherbus nahm den Betrieb auf und eine Musikbibliothek wurde eingerichtet. Mit der Eröffnung des Gebäudes am Markt 1, wurden Einrichtungen wie die „Brücke der Nationen“ (heute Fremdsprachenabteilung), die Kinder- und Jugendbibliothek sowie die Musikbibliothek in die Zentrale integriert.
Seit rund zehn Jahren halten vermehrt digitale Medien Einzug in die Stadtbibliothek und die Angebotspalette im Programm- und Schulungsbereich wurde stark ausgeweitet. Die Stadtbibliothek ist auf dem Weg hin zu einem sogenannten dritten Ort, einem Ort, an dem Menschen sich zwanglos begegnen und sich als wichtiger Teil einer Gemeinschaft erleben können.
Es zeichnet die Stadtbibliothek aus, dass sie die meisten ihrer Programmangebote gemeinsam mit Multiplikatoren, Besucherinnen und Besuchern oder Kooperationspartnern entwickelt und experimentierfreudig ist. So ist garantiert, dass die Dienstleistungen passgenau, bedarfsgerecht und für alle Beteiligten spannend bleiben.
Besonders erfolgreich ist die Stadtbibliothek mit ihrer Bildungspartnerschaft Kita, Schule und Bibliothek. Ihre vielfältigen Leseförderformate für jedes Alter sind stark nachgefragt. Die Schulungsangebote für Multiplikatoren regelmäßig ausgebucht.
Beispielhaft sei hier das aktuelle Leserförderpilotprojekt „Ausgefuchst“ erwähnt, das von der Friedel & Gisela Bohnenkampstiftung unterstützt und von Studierenden der Universität evaluiert wird.
Im Jahr 2015 wurde die Stadtbibliothek Osnabrück überdies für ihr seit vielen Jahren erprobtes, vorbildhaftes Bibliothekskonzept für Zuwanderer mit dem Bibliothekspreis der VGH-Stiftung ausgezeichnet.
Die Stadtbibliothek Osnabrück ist gut vernetzt und ist für viele Einrichtungen in der Stadt ein zuverlässiger und wichtiger Kooperationspartner.
Um die Finanzen wurde seit Bestehen der Stadtbibliothek gerungen.
In den Jahren 2010 und 2011 kam es aufgrund der desolaten Haushaltslage der Stadt Osnabrück zu einem tiefen Einschnitt. Der Rat der Stadt Osnabrück entschied, alle vier Stadtteilbibliotheken zu schließen. Gleichzeitig wurde das Haltestellennetz des Bücherbusses ausgebaut. Er übernahm die Mediengrundversorgung in allen Stadtteilen. Die Öffnungszeiten der Stadtbibliothek am Markt wurden erweitert und eine Stelle wurde eingerichtet, die in Kindertagesstätten und Grundschulen mobile Leseförderprogrammangebote anbietet.
Die Ausleihe und Rückgabe wurden automatisiert. Die digitalen Angebote wurden auf- und ausgebaut („ebib2go“, "tigerbooks", "Sharemagazines").
Die Stadtbibliothek war und ist immer ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen und Aufgabenstellungen. Ihr Aufgabenprofil hat sich scheinbar wenig geändert:
„Wir haben ein Institut schaffen wollen, bestimmt, dem Bildungsbedürfnis aller Kreise zu dienen, ihnen eine gesunde geistige Nahrung zu bieten. Deshalb durfte bei Einrichtung der Lesehalle und soll bei ihrer Benutzung kein Unterschied gemacht werden nach Rang und Stand, nach Politik und Konfession, ausschließlich soll sie gewidmet sein der Weiterbildung des menschlichen Geistes.“ (Aus der Eröffnungsrede des Bürgermeisters Dr. Julius Rißmüller, zitiert nach Arved von Ungern „100 Jahre öffentliche Bibliothek in Osnabrück“, S. 28)
„Die Stadtbibliothek ist eine öffentliche Einrichtung der Stadt Osnabrück. Sie dient dem allgemeinen Bildungsinteresse. Sie fördert die Lesefähigkeit und Medienkompetenz insbesondere von Kindern und Jugendlichen, unterstützt das lebenslange Lernen und bietet eine vielfältige, aktuelle Medienauswahl zur Information sowie zur schulischen, beruflichen und privaten Aus-, Fort- und Weiterbildung an. Darüber hinaus verleiht sie Medien für die Freizeitgestaltung. Sie fördert die Literatur und das Lesen allgemein. Ihre zweckentsprechende Benutzung ist jedermann gestattet.“ (Bibliothekssatzung, aktuelle Fassung, Nov. 2013, § 1)
Und dennoch ist die Stadtbibliothek heute eine völlig andere Einrichtung als vor 150 Jahren. Es hat sich nicht nur das Sortiment gewandelt; es wurden darüber hinaus die Öffnungszeiten stark erweitert, Ausleihe und Rückgabe erfolgen automatisiert, die Bibliotheksräume sind nicht mehr nur Lesehallen, sondern Orte mit Aufenthaltsqualität, in denen man gemeinsam lernt, sich bei der Lektüre entspannt, anderen Menschen begegnet und durch vielfältige Veranstaltungsprogramme angeregt wird, sich weiterzubilden und kulturell neugierig und literarisch offen zu bleiben.
Auffällig ist ein Paradigmenwechsel. Stand früher das Buch im Mittelpunkt und in den 90er Jahren die sogenannte Zielgruppe, so steht jetzt das Individuum und seine Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen im Fokus.
Jahr |
| Bibliotheksleitung |
1851 | Gründung eines Volkslesevereins in Osnabrück |
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1867 | Gründung eines wissenschaftlichen Lesezirkels |
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1869 | Volksbibliothek im Haus des Rittmeisters Friedrich, Petersburg 1, | 1869 – 1875: Rittmeister Friedrich
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1872 | Umzug ins Schulgebäude, Kamp 3 |
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1889 | Umzug ins Schulgebäude bei der Katharinenkirche, | 1875 – 1899: Direktor des Ratsgymnasiums Runge |
1893 | Umzug in die Bürgerschule, Am Schützenwall | 1899: Pastor Klatte |
1896 | Umzug in das Neue Rathaus, Krahnstraße | danach: Hauptlehrer Köneke |
1902 | Städtische Bücher- und Lesehalle, Hakenstr. 12 | 1901: Max de la Vigne 1904: Dr. Erich Fink 1922: Ida Maès |
1931 | Unterkunft im Schloss |
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1945 | Luftangriff und Zerstörung |
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1946 - 1952 | Städtische Bücher- und Lesehalle, Am Bürgergehorsam | 1946(?): Waltraut Roscher |
1952 | Umzug in die Große Straße | 1952: Dr. Walter Bethke |
1953 | Erste Freihandbibliothek, d.h. die Bücher müssen nicht mehr über eine Theke bestellt werden, sondern sind frei zugänglich für das Publikum |
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1957 | Einrichtung der Jugendbücherei im Haus der Jugend |
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1964 | Privatbibliothek Barenaue und Bibliothek Hünnefeld kommen als wertvolle Leihgaben in die Stadtbibliothek | 1965: Dr. Arved von Ungern |
Ca. 1965 | In der Volkshochschule wird eine Fremdsprachenabteilung unter dem Namen „Brücke der Nationen“ eingerichtet. |
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1966 | Die Ausleihverbuchung wird umgestellt. Der nun fotomechanische Verbuchungsvorgang erfolgt mit Hilfe von Lochkarten. |
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1967 | Die Bibliotheksbestände des Carolinums und des Ratsgymnasiums werden integriert. |
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1967 | Eröffnung der Stadtteilbibliothek Neustadt |
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1968 ff | Eröffnung der Stadtteilbibliotheken Eversburg und Schinkel. |
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1969 | Umbenennung in Stadtbibliothek Osnabrück |
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1975 | Der Bücherbus nimmt seinen Betrieb auf. | |
1986 | Das Sortiment wird kontinuierlich ausgebaut und um neue Medientypen, z.B. Videos erweitert | 1985: Peter Junk, 1987: Beatrix Veit wird Leiterin der Stadtbibliothek, verlässt die Institution jedoch nach 4 Monaten |
1990/91 | Die Ausleihverbuchung erfolgt nun per EDV über das Bibliotheksmanagementsystem der Firma ALS (Bibliomondo) | 1989: Dr. Dirk Bergmann |
1992 | Mit der Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs wird der Neu- und Umbau der Stadtbibliothek im Bereich Markt und Lortzingstraße geplant. |
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1995 | Das Erich Maria Remarque-Friedenszentrum nutzt die ehemaligen Bibliotheksräume, Markt 6. Die Fremdsprachenabteilung, "Brücke der Nationen", wird in die Räume der Stadtbibliothek integriert. |
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2001 | Umzug der Musikbibliothek vom Ledenhof in die Bierstraße |
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2004 | Die Kinder- und Jugendbibliothek zieht vom Haus der Jugend in die 2. Etage der Zentrale am Markt. | 2005: Alfred Wübbena |
2006 | Die Musikbibliothek kommt in die Zentrale am Markt. | 2006: Martina Dannert |
2008 | Wechsel des EDV-Verbuchungs- und Bibliotheksmanagementsystems. |
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2010 | Die Zentrale der Stadtbibliothek am Markt wird nach dem niedersächsischen Kriterienkatalog für Großstadtbibliotheken zertifiziert und mit dem Prädikat „Bibliothek mit Qualität und Siegel“ ausgezeichnet. |
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2010/2011 | Der Rat der Stadt beschließt aufgrund einer desolaten Finanzsituation der Stadt die vier Stadtteilbibliotheken zu schließen. |
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2012 | Umstellung der Verbuchungsvorgänge auf ein Funkfrequenzverfahren (RFID ) und zunehmende Automatisierung der Verbuchungsvorgänge, um das Personal von Routinearbeiten zu entlasten: |
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2013 | Aufbau der virtuellen Bibliothek "ebib2go", die gemeinsam mit den Bibliotheken in Georgsmarienhütte und Bramsche betrieben wird. |
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2015 | Die Stadtbibliothek wird für ihr langjährig erprobtes, wegweisendes Bibliothekskonzept für Zuwanderer mit dem Bibliothekspreis der vgh-Stiftung ausgezeichnet. |
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2017 | Im Rahmen der Kulturstrategie erarbeitet das Bibliotheksteam ein Zukunftsszenario. |
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2018 | Die Medien in der Erwachsenenbibliothek werden neu präsentiert. Ein Lesecafé wird eingerichtet. |
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2019 | Der Lesegarten wird eröffnet. |
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2020 bis 2021 | Die Coronapandemie erzwingt die zeitweise Schließung der Einrichtung für das Publikum. Die Stadtbibliothek reagiert mit einem Lieferdienst, einem Abholservice und kreativen digitalen Angeboten sowie Veranstaltungsformaten im Freien. Die Stadtbibliothek beteiligt sich mit dem Projekt „CU – library goes hybrid“ am Programm „Wissenswandel“ des Deutschen Bibliotheksverbandes, das Teil des Rettungs- und Zukunftsprogramms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ist. Sie richtet in der Folge ein Multimediastudio ein und bietet Zugang zur Onlineplattform „Overdrive“, die sie zur digitalen Jugendbibliothek ausbaut. Gemeinsam mit der Fromm-Stiftung ermuntert sie Osnabrückerinnen und Osnabrücker unter dem Motto „Eine Stadt schreibt ein Buch“ ihre Erfahrungen während der Pandemie niederzuschreiben. Über 500 Personen beteiligen sich, die jüngsten sind 5 Jahre alt, die ältesten über 80. Es entsteht das Buch „Und dann kam Corona“, das in einer Auflage von 800 Exemplaren gedruckt wird. | |
2022 | Die Stadtbibliothek Osnabrück hat sich erfolgreich um Fördergelder aus dem Fonds „hochdrei – Stadtbibliotheken verändern“ der Kulturstiftung des Bundes beworben. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird gemeinsam mit dem Fachdienst Umweltplanung und Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Ursulaschule sowie der Angelaschule ein Konzept für eine Grüne Jugendbibliothek erarbeitet. |
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